In diesem Sommer verkünden die Medien fast täglich: Stadtentwicklung ist ohne hochrangige Straßenanbindung nicht möglich, gemeint ist damit, die Seestadt kann ohne Autobahnanschluss (Stadtstraße/Lobauautobahn) nicht weiter gebaut werden.
Blickt man allerdings in der Stadtgeschichte etwas zurück, so besitzen zahlreiche Stadtentwicklungsgebiete keinen Autobahnanschluss: Siebenbürgerstraße, Eipeldauerstraße, Großfeldsiedlung, Rennbahnweg, Quadenstraße, Ziegelhofstraße, Brünner Straße, Donaufeld, Nord-Bahnhof, ... und trotzdem wohnen und arbeiten viele Familien in diesen Gebieten.
Laut Masterplan (2008) sollen in der Seestadt 8 500 Wohneinheiten für 20 000 Menschen und 20 000 Arbeitsplätze entstehen. Damals ist im Zuge der Einreichung des Projekts von der Stadt Wien die Verknüpfung mit der Errichtung der Autobahn hergestellt worden, obwohl man zukunftsweisend U-Bahn, ÖBB und Straßenbahnen in die Erschließung mit einbezogen hatte. Dieses Verkehrsangebot (Straßenbahnen fehlen noch) reicht sicherlich aus, um die täglichen Ortswechsel zu bewältigen.
Außerdem besitzt die Seestadt einen ÖBB-Gleisanschluss, über den der Materialtransport für Firmen klimafreundlich abgewickelt werden könnte.
Nun fordern die Stadtpolitiker und Wirtschaftsvertreter die Errichtung der Autobahn für die Smart City Seestadt, obwohl stets betont wurde, dass die Seestadt vorwiegend für Menschen mit viel Freiraum für Fußgänger und Radfahrer mit schattigen Wegen und Grünflächen geplant werde. Viele Bewohner sind bewusst in diesen Stadtteil gezogen, um ohne eigenes Auto vom Verkehrslärm verschont zu bleiben. Nun soll der Schwerverkehr an ihren Wohnungen vorbeidonnern und sie erhalten zwei direkte Zubringer, um schnell im Autobahnstau zu landen.
Es sind bereits 4000 Wohnungen bezogen und 4000 Arbeitsplätze geschaffen, aber der Wohnraum für 60.000 Menschen könne nicht mehr geschaffen werden, wenn die Autobahn nicht gebaut werde und zigtausende Arbeitsplätze gehen verloren, lauten die politischen Vorhersagen.
Die Stadtpolitik hat sich zum Ziel gesetzt, sowie viele Gemeinden in Österreich, dass die Bevölkerungszahl steigen muss. Dadurch wird eine höhere Konsumleistung erwartet und die Steuereinnahmen steigen. Auf der anderen Seite hat die größere Zahl an Einwohnern auch Bedürfnisse, die die Stadt decken muss: Arbeitsplätze, Kinder-/Altenbetreuung, Gesundheitsversorgung, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, Wohnraum und Nahrungsversorgung. Der soziale Wohnbau wurde in den letzten Jahren aus den Stadtagenden ausgegliedert, die Stadt errichtet kaum eigenen Wohnraum, dadurch orientieren sich auch geförderte Bauträger am lokalen Wohnbaumarkt und die Preise steigen. Dies hat wiederum zahlreiche Investoren angelockt, die vom Wohnungsmarkt profitieren wollen. Diese erwerben günstige Grundstücke, errichten Hochbauten, um den Grundstückskaufpreis mehrfach als Gewinn verbuchen zu können oder bieten hochpreisige Luxusherbergen an, die wiederum nur als Investitionen dienen und meist nicht zu Wohnzwecken genutzt werden.
Ob diese Preisentwicklung allerdings durch einen Autobahnbau gestoppt werden kann ist ungewiss. Vielleicht könnte die Investitionssumme in Wohnbauten, die im Eigentum der Stadt verbleiben, direkten Einfluss auf die Preisentwicklung erwirken.
Laut diesen aktuell zitierten Zahlen, wäre das Projekt Seestadt in den letzten Jahren um 350% gewachsen.
Entspricht diese Projekt noch der damaligen Einreichung oder ist eine Neubewertung unter Klimaschutzgesichtspunkten (mit klimabezogener Umweltverträglichkeitsprüfung - derzeit enthält das veraltete UVP-Gesetz keinerlei klimarelevanten Prüfungen) umgehend notwendig?
Medienbericht: Wiener Bezirkszeitung Donaustadt vom 21.07.2021
Medienbericht: Kronen Zeitung Wien vom 9.7.2021